Kann eine Diät die Darmflora stören?


Etwa 10 Billionen Darmbakterien unterstützen uns bei der Verdauung, wobei unsere Ernährung die Mikroorganismen im Darm beeinflussen kann. Kalorienrestriktion – wie beispielsweise während einer Diät – könnte demnach die Population dieser Bakterien ändern. Forscher haben diese Zusammenhänge nun mithilfe einer neuen Studie in der Fachzeitschrift Nature analysiert.


Darmflora und Mikrobiota


Als Darmflora (alternativ: Mikrobiota) kann man die ganze Population der Darmbakterien, welche im menschlichen Dickdarm und Enddarm zu finden ist, bezeichnen. Insgesamt bewohnen mehr als 400 unterschiedliche Arten von Bakterien unser Darmsystem – wobei die Mehrheit im Dickdarm an der sogenannten Darmwand lebt.


Können Darmbakterien die Gesundheit beeinflussen?

Laut der, im Nature Medicine unlängst publizierten, metagenomischen Studie, moduliert die menschliche Ernährung mithilfe der Mikrobiota im Darm unsere Gesundheit. Forscher analysierten dafür bei mehr als 1000 ProbandInnen das Darmbakterien-Erbgut und verglichen dieses mit den Ernährungsgewohnheiten und medizinischen Befunden. Die Resultate haben die Annahme bestätigt: die Ernährung konnte laut Ergebnissen einen signifikanten Einfluss auf die Darmbakterien besitzen. Unterschiedliche Zusammensetzung der Mikrobiota zeigte sich bei TeilnehmerInnen die sich entweder mit viel Gemüse, Nüssen und Meeresfrüchten oder mit zuckerhaltigen Süßgetränken, raffiniertem Getreide und verarbeitetem Fleisch ernährten. Einen größeren Anteil an Darmbakterien wie Prevotella copri und Vertreter der Blastocystis verzeichneten TeilnehmerInnen mit naturnaher Ernährung – Menschen mit mehr Fertignahrung im Essensplan hatten diese Mikrobiota nicht.
Der Studie zufolge ist er eindeutig, dass die menschliche Ernährung ein wichtiger Faktor für die Darmflora ist und diese auch formt. Das Darm-Mikrobiom setzt sich bei Personen mit Adipositas anders zusammen als bei Menschen ohne starkem Übergewicht.

Manche nutzen für einen Gewichtsverlust bestimmte Diäten. Um eine mögliche Korrelation besser zu verstehen, untersuchten Forscher unlängst, ob eine solche Ernährungsumstellung signifikante Folgen für die Darmbewohner haben könnte. Dafür haben diese eine randomisierte Interventionsstudie mit einer sehr kalorienarmen Diät durchgeführt.

Ändert eine Diät die Darmflora?

Dabei wurden 80 Frauen nach der Menopause mit leichtem Übergewicht bis ausgeprägter Adipositas analysiert. Diese wurden entweder einer Formuladiät unterzogen oder sollten während der Interventionsphase 16 Wochen lang ihr Gewicht konstant halten. Eine Formuladiät bestand aus Fertiggetränken und maximal 800 Kilokalorien am Tag und wurde unter ärztlicher Aufsicht kontrolliert. Für die Analyse wurde der Stuhl der StudienteilnehmerInnen in regelmäßigen Abständen untersucht. Die Untersuchung fand in einer Einrichtung der Charité und des MDC (d.h. Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin) am sogenannten ECR-Center (d.h. Experimental and Clinical Research Center) statt.

Eindeutige Resultate

Die Analyse zeigte eine Verringerung der Anzahl an Darmbakterien durch die Ernährungsumstellung und eine Änderung des Aufbaus der Mikrobiome im Darm. Die Forscher beobachteten eine Änderung des Stoffwechsels bei den Darmbakterien, mit dem Ziel, Glukoseverbindungen in größeren Mengen aufzunehmen, wodurch dieser Zucker nicht mehr zur weiteren Verarbeitung verfügbar war. Zusätzlich dazu stellte sich heraus, dass die Stuhlprobe in der Diät-Gruppe mehr Clostridioides difficile (kurz: C. difficile), ein grampositives Stäbchenbakterium, enthielt. Dieses Bakterium ist Teil einer gesunden Darmflora, kann jedoch bei unausgeglichenem Mikrobiom zu einer infektiösen Durchfallerkrankung führen.
In weiterer Folge wurden die analysierten Darmbakterien vor und nach der Diät an Mäuse, welche keimfrei und kein eigenes Mikrobiom verfügten, übertragen. Das Ergebnis zeigte, dass Mäuse mit Darmbakterien von StudienteilnehmerInnen nach der Diät mindestens 10% ihres Körpergewichts innerhalb von 2 Tagen verloren haben. Im Vergleich dazu zeigten Darmbakterien vor der Diät keinen signifikanten Gewichtsverlust bei den Tieren.

Fazit

Trotz verbesserter metabolischer Gesundheit hatte eine Kalorienrestriktion zu einer Verringerung der Darmbakterien und einer Änderung des Darmmikrobioms geführt. Die Transplantation von Mikrobiota (nach der Diät) bei Mäusen führte zu einem signifikanten Gewichtsverlust, beeinflusste die Nährstoffaufnahme und vergrößerte die Anzahl von C. difficile Bakterien im Darm. Die Folgen einer asymptomatischen Anhäufung mit C. difficile ist in Bezug zur menschlichen Gesundheit noch nicht eindeutig. Des weiteren stellt sich die Frage, ob diese Bakterienart eventuell positive Wirkung besitzen könnte, falls sich diese nicht zu sehr vermehrt.

Eindeutige klinische Kausalität besteht durch die Korrelation zwischen Nahrungsaufnahme, Mikrobiom und menschliche Gesundheit durch diese Untersuchung noch nicht – dafür sind laut Forschern größere Studien notwendig. Die Auswertungen heben jedoch die Signifikanz der Wechselwirkung zwischen Nahrung und Mikrobiom in Bezug auf Änderung der Darmbakterienbilanz eindeutig hervor.

 

Quellen:

Asnicar, F., Berry, S.E., Valdes, A.M. et al. Microbiome connections with host metabolism and habitual diet from 1,098 deeply phenotyped individuals. Nat Med 27, 321–332 (2021).


von Schwartzenberg RJ, Bisanz JE, Lyalina S, Spanogiannopoulos P, Ang QY, Cai J, Dickmann S, Friedrich M, Liu SY, Collins SL, Ingebrigtsen D, Miller S, Turnbaugh JA, Patterson AD, Pollard KS, Mai K, Spranger J, Turnbaugh PJ. Caloric restriction disrupts the microbiota and colonization resistance. Nature. 2021 Jul;595(7866):272-277. Epub 2021 Jun 23.


https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34163067/ 

https://escholarship.org/uc/item/0gf7764k 

https://www.netdoktor.at/anatomie/darmflora/ 

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/sw/Ern%C3%A4hrung?s=&p=1&n=1&r=me&nid=125764 

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/120089/Ernaehrung-Metabolom-Studie-bringt-Darmflora-mit-Krankheitsrisiken-in-Verbindung